Brauchen Amateur-Fußballvereine Social Media?
Vor einiger Zeit wurde ich von Dominik Schubert angesprochen, der Input für seine Bachelorarbeit benötigte. Sein Thema war „Social Media Marketing im Amateurfußball: eine empirische Erfolgsfaktorenanalyse anhand diverser Fußballvereine“
Ich stand ihm mit einigen Antworten zur Verfügung, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, denn ich denke, die Fragestellung: Amateurfußball und Social Media ist äußerst interessant und produktiv.
Hier jetzt das Interview in voller Länge, 10 Fragen an Dietmar Fischer:
- Welche Social Media Plattformen nutzen Sie in der Arbeit oder als Privatperson?
Blogs sind mein hauptsächliches Social-Media-Tool, sowohl privat als auch beruflich, genauso Facebook. Beruflich kommt dann noch Instagram hinzu, überwiegend in privater Nutzung noch ein Whatsapp.
- Was verstehen Sie persönlich unter dem Begriff Social Media Marketing?
Social Media Marketing ist nahe am strategischen Marketing. Die perfekte Social-Media-Marketing-Strategie lässt die Firma (nicht nur die PR- und Marketing-Abteilung) direkt mit dem Kunden kommunizieren. Social Media Marketing ist also eher Gespräch, ähnlich dem vom Cluetrain Manifest bekannten „Märkte sind Gespräche“ als Werbung oder PR. Letzteren Kanälen fehlt dann nämlich das „social“, es ginge nur um Unternehmenskommunikation, also vom Unternehmen an die Kunden und nicht zurück.
Die Konsequenz davon ist natürlich, dass vor allem größere Firmen oder Organisationen Probleme haben, eine gleichberechtigte Kommunikation mit dem Kunden zu führen, während kleinere Organisationen viel näher am Kunden bzw. Konsumenten dran sind.
- Welche Erfahrungen haben Sie allg. mit Social Media Marketing gemacht?
Meist wird Social Media Marketing als Internetwerbung und –PR betracht, also alter Wein in neuen Schläuchen. Wenige Unternehmen nutzen die Chancen, die sich durch die neuen Kommunikationswege ergeben. Eigentlich immer scheitert Social Media Marketing in großen Organisationen an Hierarchiedenken (Angst vor Kontrollverlust im Management) oder an dem Unverständnis über die Wirkungsweise der neuen Medien (die Entscheider sind vom 20. Jahrhundert geprägt).
- Bezogen auf die Anwendung, welche positiven und negativen Erfahrungen haben Sie mit Social Media Marketing gemacht?
Ich berate viele KMUs, deren größtes Problem es nicht ist, die Möglichkeiten von Social Media zu erkennen, sondern der Bespielung der Kanäle einen entsprechenden Platz im Alltag einzuräumen. Im Endeffekt wird dann ein schönes Essensbild eines Restaurants um 23:30 Uhr auf Instagram gepostet, wenn es kaum mehr jemanden erreicht.
Aber auch positive Erfahrungen gibt es mit den KMUs, da man sie oft davon überzeugen kann, einfach mal anzufangen. Die Auswertung der Ergebnisse überrascht dann oft sehr positiv und führt zu einer kontinuierlichen Umsetzung. Als Berater ist man einfach direkt am Entscheidungsträger dran.
- Bezogen auf Amateurfußballvereine, welches Potential sehen Sie bei den Vereinen?
Die Vereinsstruktur eignet sich hervorragend, um Social Media zu nutzen. Der Verein lebt ja vom Engagement seiner Mitglieder. Dies muss nur ins Social Media genommen werden, dh. es muss ein einigermaßen hierarchiefreier Umgang mit den Social Media und ein breiter Zugang möglich gemacht werden, dann sehe ich die Vereinsstruktur als riesigen Vorteil.
Auf der anderen Seite gibt es oft konservative Entscheider in den Vereinsstrukturen, die von den neuen Medien abgeschreckt sind. Diese sollte man mit erfolgreichen Aktionen überzeugen (z.B. ein Video des Siegtors bei Facebook posten und dann die Anzahl der Views zeigen).
- Können Sie Empfehlungen für die Amateurvereine geben, wie diese von der der richtigen Anwendung profitieren können?
Im Endeffekt könnte für die Vereine ein Kommunikationstool zu den Fans und den Vereinsmitgliedern entstehen, eine persönliche Sportschau sozusagen. Berichte aus dem Verein, aber, viel wichtiger: Spielberichte der verschiedenen Mannschaften, Interviews, Information über Termine. Also durchaus über die Möglichkeiten einer Vereinszeitung hinausgehend.
- Mit welchen Argumenten können die Vereine die Sponsoren von Social Media Marketing überzeugen, im Gegensatz zur den herkömmlichen Strategien?
Eine ordentlich gepflegte, aktive und reichweitenstarke Social-Media-Community erreicht die Fans und Vereinsmitglieder sehr viel öfter und persönlicher als ein klassisches Sponsoring. Ein Sponsor für das Chronikbild der FB-Fanpage wird in einer aktiven Community ständig wahrgenommen. Kurz gesagt: mehr und intensivere Kontakte bringen dem Sponsor eine qualitativ und quantitativ bessere Sichtbarkeit.
Ebenfalls wichtig ist, dass eine genaue Auswertung der Aktivtäten gibt, dh. der Sponsor kann mit Zahlen überzeugt werden (Reichweitenvergleich Anzeige in der Lokalzeitung vs. Reichweite in den Social Media des Vereins).
- Welche Social Media Plattformen sehen Sie am besten geeignet bezogen auf die Anwendung und Reichweite für die Vereine?
Aufgrund der starken Durchdringung von Facebook in Deutschland ist auf jeden Fall eine FB Fanpage wichtig, evtl. eine vereinsbezogene Gruppe. Mit etwas Aufwand verbunden aber äußerst effektiv ist ein YouTube-Kanal (dazu ist es aber wichtig, sich die rechtliche Debatte um die Hartplatzhelden anzuschauen).
Weiterhin gibt es spezielle Tools zur Mannschaftsorganisation (Koordination von Trainingsterminen etc.), der allgemeinen Kommunikation innerhalb der Mannschaft, z.B. durch eine Whatsappgruppe bis zu speziellen Apps wie die in „Höhle der Löwen“ vorgestellte App zur Verwaltung der Mannschaftskasse (in Bezug auf Strafen).
- Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Erfolgsfaktoren für Social Media Marketing – sportlicher Erfolg alleine oder gibt es auch weitere wichtige Faktoren?
Sportlicher Erfolg ist m.E. nebensächlich, man könnte das als das Eddie-the-Eagle-Phänomen bezeichnen, bei dem der sportliche Erfolg ja auch nur nebensächlich war. Es geht mehr darum, dass einige Mitglieder aktiv über den Verein kommunizieren und die Rolle der Berichterstatter und vielleicht auch Erzähler übernehmen. Diese können dann Vereinsmitglieder und Fans zu höherer Aktivität ermuntern und damit eine Community mit einem starken Gemeinschaftsgefühl schaffen. Dies kann sich langfristig natürlich auch in sportlichen Erfolg übersetzen, muss es aber nicht. Auf jeden Fall wird der Verein dadurch gestärkt und viel mehr Fans motiviert, auch zu spielen zu gehen, zu trainieren oder ihre Kinder im Verein anzumelden.
Viel Dank für das Interview!
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Und an alle Fußballfans da draußen: schaut euch an, wie ihr euren Verein im Social Media unterstützen könnt, euch stehen spannende Tools zur Verfügung.
Eine Sache noch: die meisten gemeinnützigen Vereine können von Google Werbeunterstützung in Form von kostenlosem Werbebudget bekommen, vielleicht ist das ja auch was von euch? Für Details könnt ihr mal hier schauen!
Ich wünsche euch erfolgreiche Kicks,
Dietmar Fischer