Roboter, Drohnen, Projektionen — Die Auflösung des Ortes

Es ist egal, wo wir gerade sind: Un-Location Based Services

Loca­tion Based Ser­vices, Vor-Ort, mobil, das Inter­net der Dinge, alles Schlag­wörter, die die aktuelle Debat­te über das Inter­net prä­gen. Und alle haben gemein­sam: der Ort ste­ht im Mit­telpunkt, er macht den Kern der neuen Dien­ste aus.

Dabei gerät eine inter­es­sante Entwick­lung aus dem Focus, die min­destens eben­so wichtig ist: die Auflö­sung des Orts, wir müssen nicht mehr anwe­send sein! Zwar wird über diese Rev­o­lu­tion in Ansätzen in die Medi­en und auf Kon­feren­zen gesprochen, aber mir fehlt die sys­tem­a­tis­che Auseinan­der­set­zung mit dem Poten­tial dieser Entwicklung.


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Ferngesteuert ans Ziel

Drohnen, Skype, Web-Sem­i­nare, men­schenähn­liche Robot­er oder Kome­ten­erkun­der bere­it­en uns den Weg in eine neue Welt.

Man muss nicht unbe­d­ingt à la Big Bang The­o­ry auf Shel­dons fer­nges­teuerten Robot­er mit Videokon­feren­zan­schluss stehen.

Aber denken wir dieses fer­nges­teuerte Gerät doch ein­fach ein­mal weit­er. Geplant, um z.B. Bet­tlägeri­gen soziale Inter­ak­tio­nen zu ermöglichen, ist es doch nur der Anfang. In Verbindung mit den weit mächtigeren Robot­ern von Boston Dynam­ics & Co ist es vorstell­bar, dass wir uns ort­sun­ab­hängig bewe­gen kön­nen: wir wollen an ein­er Kon­ferenz nicht nur per Skype teil­nehmen? Kein Prob­lem: gle­ich die men­schenähn­liche Drohne beman­nt und mit dem Androiden in den Vortragsraum!

Über die mil­itärischen Anwen­dun­gen von Drohnen möchte ich hier bewusst nicht sprechen, das wird schon oft genug getan und lenkt vom Wesentlichen ab, näm­lich, welche sozialen Auswirkun­gen die Auflö­sung des Orts hat.


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Die soziale Akzeptanz

Was wür­den Sie machen, wenn Sie in Brüs­sel leben, aber am rit­uellen son­ntäglichen Früh­stück ihrer Fam­i­lie in Athen teil­nehmen wollen? Richtig, die Lösung lautet Skype. Auf dem Früh­stück­stisch in Athen ste­ht ein Mon­i­tor, in Brüs­sel ste­ht der andere, natür­lich auf dem dor­ti­gen Früh­stück­stisch. Und schon kann man wenig­stens Teil der Kom­mu­nika­tion wer­den, wenn schon nicht mitessen.

Dass das ein Kom­pro­miss und etwas unprak­tisch ist, ist klar. Aber so kann meine Brüs­sel­er Bekan­nte weit­er­hin Teil der Fam­i­lie sein. Andere Bekan­nte führen Dis­tanzbeziehun­gen über eine Skype-Dauerverbindung, der Mon­i­tor als Tor zum Part­ner. Aber ich bin mir sich­er, diese Per­so­n­en wären lieber mit ein­er vollsen­sorischen Erfahrung oder zumin­d­est Inter­ak­tions­fähigkeit­en bei ihrer Fam­i­lie oder ihrem Partner.

Pendeln ist so zwanzigstes Jahrhundert…

Oder noch einen Schritt weit­ergedacht: warum muss ich über­haupt weg aus Griechen­land, wenn ich von dort einen Androide fern­s­teuere und damit fast per­sön­lich am Arbeit­sort erscheinen kann? Pen­deln, Ver­schmutzung durch Flugzeuge, fehlende Anschlüsse bei der Bahn, Staus, all das wäre plöt­zlich über­flüs­sig. Und statt ewig Zeit im Auto oder Flugzeug zu ver­brin­gen, kön­nten Fam­i­lien wieder mehr Zeit miteinan­der verbringen.

Sind Drohnen alltagstauglich?

Nun ist die Tech­nik noch nicht so weit, diese Vision umzuset­zen. Allen voran die Datenüber­tra­gung in Echtzeit macht dem Vorhaben momen­tan noch einen Strich durch die Rech­nung. Denn wenn der Androide ständig wegen fehlen­der Datenüber­tra­gung Gesprächspausen macht, wird eine Kom­mu­nika­tion wenn nicht unmöglich, so doch unprak­tisch. Und so oft, wie Handyverbindun­gen abreißen – das klas­sis­che „Hal­lo! Hal­lo? Hal­lo!!!“ – kann man sich auch nicht darauf ver­lassen, dass man dort ankommt, wo man hin­will mit seinem fer­nges­teuerten Androiden.

Der Start: Videoprojektion!

Aber die Vorstufe, eine Pro­jek­tion, wie wir sie aus Fil­men wie Star Wars oder Neon Gen­e­sis Evan­ge­lion ken­nen, ist schon Real­ität – hät­ten Sie’s gewusst? An diversen Flughäfen reden Holo­grafien schon mit den Passagieren:

Dies sind meist aufgeze­ich­nete 3D-Holo­gramme und es find­et keine Inter­ak­tion statt. Doch es geht auch anders: am Charles de Gaulle-Air­port in Paris z.B. wer­den Sie an entle­ge­nen Ter­mi­nals von 2D-Pro­jek­tio­nen berat­en. Irgend­wo in den Eingewei­den des Flughafens gibt es ein Call­cen­ter, deren Mitar­beit­er mith­il­fe ein­er ein­fachen, per Beam­er aus­geliefer­ten Pro­jek­tion, die Pas­sagiere über­all berat­en kön­nen. Ok, das sind keine Holo­gra­phien, dazu ist es tech­nisch jedoch nur ein klein­er Schritt: schließlich gibt es schon 3D-Fernse­her, ist halt nur etwas teurer.

Mein persönlicher Ausblick

Warum also nicht als holo­graphis­che Pro­jek­tion am griechis­chen Esstisch sitzen? Sicher­lich dem kleinen Geschwis­terkind leichter zu ver­mit­teln als ein Mon­i­tor am Esstisch! Und das ist keine Zukun­ftsmusik, son­dern im Moment ein­fach noch recht teuer.

Ich habe 2001/2002 in ein­er Video­con­fer­enc­ing­fir­ma gear­beit­et. Damals hät­ten wir uns nicht träu­men lassen, mit welch­er Wucht Skype ein­schla­gen würde – es gibt ja jet­zt selb­st den Begriff skypen. Nie­mand von uns hat diesen Kul­tur­wan­del voraus­ge­se­hen. Und so wie Skypen nor­mal gewor­den ist, wer­den wir sich­er bald die Auswirkun­gen dieser neuen Rev­o­lu­tion sehen: der Ort wird immer unwichtiger. Wenn man sieht, wie die ersten großen Ort­sauflös­er (Telegraf, Tele­fon) die Welt verän­dert haben, dann kann man auf die Auswirkun­gen der neuen Ort­srev­o­lu­tion ges­pan­nt sein!

Viel Erfolg in der Zukunft,
Diet­mar Fischer

PS: Habt ihr Ideen, Anre­gun­gen oder Kom­mentare? Kön­nt ihr gle­ich hier loswerden 😉

PPS: Ger­ade aktuell, das neuste von Atlas:

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2 comments

  1. Itha

    Ich sehe das ganze etwas nüchtern­er, ger­ade auch deshalb, weil ich in einem inter­na­tionalen Unternehmen arbeite und meine Tätigkeit oft­mals eine enge Abstim­mung mit Kol­le­gen erfordert, die nicht in geo­graphis­ch­er Nähe sind. Zwei Aspek­te: zum einen sind Men­schen im all­ge­meinen Tagtiere, weshalb es sich bei der “Auflö­sung des Ortes”, sofern es diese gäbe, um eine “Auflö­sung der Zeit” han­deln müsste, wollte man die geo­graphis­che Dis­tanz inner­halb der Kom­mu­nika­tion tat­säch­lich über­winden. Wenn ich in Berlin arbeite, mein Mitar­beit­er aber in Indi­en ist, nützt mir die ort­sauflösende Tech­nik ab etwa 16:00 Uhr CET nicht mehr wirk­lich zeit­nah etwas. Zum anderen dienen Tech­niken wie Skypen, Video-con­fer­enc­ing oder die Kun­den­ber­atung per 3D-Ani­ma­tion etc. in erster Lin­ie der Einsparung von Kosten — so wie beispiel­sweise auch die Ein­führung des soge­nan­nten “Employ­ee Self-Ser­vice” (Intranet statt Sach­bear­beit­er) eine Min­imierung von Per­son­al (Kosten) zur Folge hat­te. Call-Cen­ter, Hot­line-Dien­ste, Ter­minierungssys­teme im Inter­net — alles das geht in diese eine Rich­tung, dass man näm­lich Men­schen weniger Arbeit geben und damit Kosten eins­paren will. Und noch ein drit­ter Aspekt fällt mir ein: bis­lang sind alle diese Tech­niken ästhetisch gese­hen ärmer im Ver­gle­ich zur direk­ten Kom­mu­nika­tion (bei physis­ch­er Anwe­sen­heit). Wen hätte die sie sprach­liche Menüführung von Hot­lines nicht schon ein­mal an den Rand der Verzwei­flung getrieben — oder das eigene verz­er­rte Gesicht im Mon­i­tor der Videokon­ferenz. Oder die Missver­ständ­nisse zwis­chen den Teil­nehmern eines Chats, oder deren (wahlweise) unangemessen agres­siv­en oder über­zo­gen fre­undlichen Reak­tio­nen, Kom­mentare in Blogs, auf Face­book usw.… Philosophisch betra­chtet han­delt es sich dabei also um eine Art von “Idi­otie” (in alten Griechen­land beze­ich­net der Idiot einen Men­schen, der sich nur um sich selb­st küm­mert, weil er kein für die All­ge­mein­heit dien­lich­es Amt bek­lei­det!), allerd­ings mit dem Unter­schied, dass dieses Phänomen nicht die Min­der­heit bet­rifft, son­dern eine die Mehrheit betr­e­f­fende Ten­denz darstellt.

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  2. charles

    Hal­lo Itha,
    dank dir für deinen aus­führlichen Kom­men­tar! Und du hast natür­lich recht, die meis­ten Fir­men wer­den die neuen Tech­niken zur Kosteneinsparung nutzen — und die einges­parten Kosten wer­den defin­i­tiv nicht zur Ser­vice­verbesserung ver­wen­det werden.
    Ich hoffe aber immer noch auf inno­v­a­tive Fir­men, Star­tups und Einzelper­so­n­en, die die neuen Möglichkeit­en nutzen, um den großen Konz­er­nen ent­ge­gen­zutreten oder eben auf pri­vate Möglichkeiten.
    Unab­hängig davon wollte ich in dem Artikel darauf aufmerk­sam machen, dass da eine Entwick­lung auf uns zukommt, die die meis­ten so noch nicht sehen — und das genau auch mit den Kon­se­quen­zen, die du ansprichst — wobei ich in meinem uner­schüt­ter­lichen Opti­mis­mus natür­lich die pos­i­tiv­en Seit­en her­aus­gestellt habe 😉

    Auch inter­es­sant, dass du den neuen Idiotes ansprichst, diese Vere­inzelung und Entsozial­isierung ist auf jeden Fall auf dem Vor­marsch — wobei ich auch da wieder eher Opti­mist bin. Wie man am Exper­i­ment Piraten­partei gese­hen hat, gibt es auch in dieser Gruppe soziale Struk­turen, nur funk­tion­ieren die nach anderen Regeln. Dass diese Regeln nicht für alle gel­ten soll­ten, ist aber, denke ich, klar. Mir fällt da eine Robot­ergeschichte von Asi­mov ein, in der die Pro­tag­o­nis­ten Angst vor sämtlichem men­schlichen Kon­takt haben, da sie über­haupt nicht mehr daran gewöh­nt sind, Men­schen physisch um sich zu haben — oder auch Wall‑E, der Film mit dem süßen Robot­er, bei dem die Men­schen auch keine Berührun­gen mehr ken­nen. Grausame Vision!

    Lieben Gruß und schö­nen Sonntag,
    Dietmar

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