Twitter will die Kontrolle über seine Nutzer. Einige der Fremdanbieter von Twitter-Interfaces sollen keinen Zugriff mehr auf Twitter erhalten, z.B. auch Tweetdeck. Was hat das für Konsequenzen?
Es ist an sich verständlich, dass Twitter mehr Traffic direkt auf seiner Webseite haben will, nur: hätte man das sich nicht früher überlegen können? Ich will hier aber nicht über Twitters Optionen sprechen, sondern über die Möglichkeiten der im Regen stehenden Fremdanbieter.
Optionen von Tweetdeck & Co
Zuerst einmal können diese natürlich mit Twitter verhandeln. Hootsuite darf auch weiter bestehen, vielleicht können die anderen Anbieter ja auch einen Deal machen wie Hootsuite bzw. Funktionen zurücknehmen, die Twitter ärgern. Wie z.B. die längeren Tweets von TweetDeck.
Ich gehe hier aber davon aus, dass TweetDeck schon länger von den Plänen Twitters wusste, die Tweets über 140 Zeichen also eine Reaktion auf Twitters Politik ist — Verhandlungen also sinnlos.
Als Zweites könnten die Anbieter Twitter am Werbeerlös beteiligen, ähnlich wie Zynga an Facebook Geld abführt. Da die Twitterclients viele von Twitter unterschiedliche Geschäftsmodelle verfolgen, wäre dies eigentlich eine praktische Sache für Twitter: ohne Änderung des Geschäftsmodells würde mehr Geld fließen. Ich glaube aber nicht, dass Twitter darauf eingeht. Hier geht es mehr um Kontrolle als um Geld.
Als Drittes — und dies wäre eine Abwehrschlacht — könnten sich die alternativen Clients zusammenschließen und ihr eigenes Netzwerk aufmachen. Dies würde dann vielleicht 30% der Twitterer umfassen, etwa 30 Millionen Nutzer, keine schlechte Basis.
Hierbei gilt es allerdings, recht intelligent vorzugehen: wir arbeiten hier mit Netzwerkeffekten, d.h. das stärkere Netzwerk dominiert langfristig den gesamten Markt. Daher gilt es, klare Unterscheidungsmöglichkeiten und Lock-Ins zu installieren. Apple hat vorgemacht, wie man sowas in einem Netzwerkmarkt gegen große Gegner sinnvoll tut.
Vorteile eines Gegen-Twitter
Welche Faktoren könnten für TweetDeck & Co entscheidend sein:
1. Längere Tweets: wenn viele Leute so genervt sind von der Beschränkung auf 140 Zeichen, dann ist hier ein großes Potential. Man braucht ja nicht wirklich 1.000 Zeichen, aber 200 plus die URL und die Hashtags, das wäre doch was!
2. User Interface: ich gehe wirklich nur, wenn ich es nicht vermeiden kann, auf Twitter.com, da das User Interface einfach schlecht ist. Ich twittere mit TweetDeck und Hootsuite, wobei ich ersteres bevorzuge, da es ein eigenständiges Programm ist. Mit beiden Clients habe ich sehr viel mehr Möglichkeiten als mit Twitter (Scheduled Tweets, Statistiken, Listenmanagement etc.)
3. Geschäftsmodell: gerade professionelle Twitterer sind wohl bereit, für Werbefreiheit auch Geld zu zahlen. Wenn eine Premiummitgliedschaft bei einem Client zu Werbefreiheit führt — zusätzlich zu besseren Funktionen — wäre dies für die zahlungskräftigste Zielgruppe interessant. Dann haben wir Twitter für die Amateure und das andere Netzwerk für die Profis.
4. Marktmacht: Twitter scheint seine Macht zu Kopf zu steigen. Wenn Marktmacht zu unfreundlichem Geschäftsgebahren führt und die Kunden — die Twitterer — schlechter behandelt werden, dann suchen sie Alternativen.
5. Apps & Plugins: das andere Netzwerk muss sich aufgrund seiner Heterogenität auf Standards einigen. Standards ermöglichen auch eine praktische, offene API, so dass viele Drittanwendungsprogrammierer Sicherheit hätten, ihre Apps zur Verwendung im neuen Netzwerk zu programmieren. Diese Apps würden die Funktionalität und damit den Wert und die Unterscheidbarkeit des Netzwerks weiter erhöhen. Zusätzlich hätte man so auch die freie Software-Bewegung mit im Boot.
Wie sollten die Alternativen vorgehen
1. Breites Bündnis schließen
2. Partner von außerhalb mit ins Boot holen (Facebook, Google, OpenID, Mobilfunkprovider…)
3. Tweets von Twitterusern mit einfachen Hilfsmitteln im Netzwerk lesbar machen (Client, der die Tweets in beide Netzwerke sendet — sowas muss intelligent angefasst werden, sonst drohen Klagen von Twitter)
Nun, ich bin gespannt, was sich an der Twitterfront weiterhin tut, ehrlich gesagt, glaube ich nicht an meine Lösung: zu kompliziert, zu unkonventionell. Zusammenarbeit, bah!
Schönes Wochenende,
Dietmar
PS: Gerade gefunden: es gibt wirklich Überlegungen in die Richtung. UberMedia rüstet auf, um eine Alternative zu werden. Den Artikel gibt’s hier bei Mashable!